Die bisherigen Kosten konnten gerade noch so von der Rente der pflegebedürftigen Schwiegermutter abgedeckt werden. Nach der Erhöhung ist das nun illusorisch.
Für Experten ist der extreme Anstieg der Eigenanteile derweil keine Überraschung. „Die Ursache für all das, was wir jetzt sehen, liegt in der großen Pflegereform von vor zwei Jahren“, weiß Martin Schott, Referent für stationäre Wohnpflegeeinrichtungen und Pflegekonzepte beim AWO-Landesverband Schleswig-Holstein. Seitdem hänge der Eigenanteil nicht mehr von der Pflegestufe (heute Pflegegrad) ab, sondern werde von den Heimbetreibern für die ganze Einrichtung kalkuliert. „Da die Pflegeheime nach der Überleitung von Pflegestufen zu Pflegegraden viele Bewohner mit hohen Pflegegraden hatten und damit relativ viel Geld aus der Pflegeversicherung erhielten, waren die zu verteilenden Kosten niedrig. Heute dreht sich das Ganze ins Gegenteil um, da sich die Verteilung der Bewohner nun wieder „normalisiert“ hat und sich mehr Menschen mit niedrigeren Pflegegraden in den Einrichtungen befinden. Damit erhalten die Heime niedrigere Zuschüsse von den Pflegekassen und die zu verteilenden Kosten steigen sprunghaft an“, so der Experte.
Auch Thomas B. ist geschockt. Seine Mutter ist erst Anfang des Jahres in einer privaten Einrichtung in Neumünster untergekommen. „Sie hat Pflegegrad 2, und bisher mussten wir etwas mehr als 1370 Euro im Monat zuzahlen.“ Doch zum April soll der Eigenanteil steigen – auf dann 1950 Euro. „Das ist eine bodenlose Frechheit, wer soll das denn noch bezahlen?“
Von der Heimleitung hat er einen sechsseitigen Brief bekommen. Hierin ist aufgeführt, was alles teurer wird: Strom, Heizung, Verwaltung – überall sollen die Ausgaben teilweise deutlich steigen. Thomas B. fühlt sich hilflos: „Dass Dinge teurer werden, ist klar. Aber doch nicht so extrem und so schnell. Wie sollen wir so plötzlich fast 600 Euro mehr im Monat wuppen?“
Die betroffenen Pflegeheime aus Neumünster haben sich auf unsere Anfrage übrigens nicht geäußert.
Eine weitere Erklärung für das, was jetzt passiert, hat Martin Schott von der AWO: „Zum einen wurden Ende 2017 die Personalschlüssel verbessert. Zum anderen konnten früher auch Pflegeheime, die ihre Angestellten nach Tarif bezahlt haben, nicht alle Kosten komplett auf die Pflegesätze umlegen. Dennoch waren tarifgebundene Einrichtungen schon früher deutlich teurer als private Heime, die ihren Pflegekräften außertarifliche Löhne überwiesen.“
Das sei jetzt anders, so Martin Schott weiter. „Alle Einrichtungen haben nun den gesetzlichen Anspruch auf eine tarifliche Bezahlung. Diese Möglichkeit nutzen nun neben den tariflich gebundenen Einrichtungen auch die privaten Heimbetreiber, um ihre Mitarbeiter jetzt ebenfalls besser bezahlen zu können – und das stellen sie den Heimbewohnern und deren Angehörigen in Rechnung.“
„Wollen die Politiker denn, dass wir alle zum Sozialamt müssen?“, fragt Monika D. aus Neumünster. „Anders geht es doch gar nicht. Entweder man ist Millionär oder man muss zum Sozialamt. Andere Menschen können sich einen Heimplatz bei diesen Kosten doch gar nicht mehr leisten!“
Kommentare (17)
Axel F.
am 02.07.2019Im Heim meiner Mutter sind pro Stockwerk 25 Heimbewohner, hierfür sind für die Früh und Spätschicht jeweils eine Fachkraft und eine Hilfskraft anwesend. In der Nachtschicht ist eine Person anwesend, allerdings ist nicht auf jedem Stockwerk eine ausgebildete Fachkraft anwesend.
Der Eigenanteil nur für die Pflege beträgt hier 838,38 €, von der Pflegekasse bekommt das Heim nochmals 2005 €.
Seit Ende 2017 wurden bisher jedes Jahr die Kosten des Eigenanteils um über 6% erhöht.
Für mich ist das absolut nicht mehr nachvollziehbar was hier getrieben wird.
Meike S.
am 03.08.2019Monika Z.
am 07.08.2019Axel F.
am 08.08.2019Man führe sich mal vor Augen, bei Pflegegrad 5 werden 45 Minuten täglich für die Pflege aufgewendet. Das sind im Monat 22,81 Stunden Aufwand. Wenn jetzt in meinem Beispiel 2843,38 € im Monat für die Pflege verlangt werden dann kommt man auf einen Stundensatz von 124,7 €,
das meiste von einer Hilfskraft erledigt die knapp über 10€ verdient, geht es eigentlich noch?
Und dann jedes Jahr eine Erhöhung, die von der Sozialkasse und der Pflegeversicherung auch noch genehmigt werden, allerdings nur weil es der Eigenanteil ist welcher erhöht wird.
Sabine
am 24.08.2019Nun muss das Sozialamt leisten, also der Steuerzahler.
Der Unternehmer ist fein raus und hat ein gutes Einkommen.
Es wäre zu prüfen seitens der Staatsanwaltschaft, ob denn die Pflegefachkräfte auch durch die Erhöhung nun auch wirklich mehr gehalt bekommen!!! Das stelle ich ernsthaft in Frage.
Wer überprüft somit die Heime?
Krankenkassen?MDK? Bundesaufsicht? alle haben kein Personal!
So geht das nicht weiter, dass grenzt an ......
RGV
am 28.08.2019Stefan M.
am 12.10.2019Bernd H.
am 03.12.2019Christian Schultz
am 04.12.2019Gustav Hanny
am 03.07.2020Wolfgang Vollmer
am 31.07.2020Thomas
am 07.08.2020Mutter kam ins Pflegeheim.
Kosten 2400 Euro Eigenanteil. Gesamt 4300 Euro pro Monat.
Sie sagt: Schlechtes Essen (roh, hart) von Appetito, das aufgewärmt wird.
Kein Kaffee.
Pfleger ca. 15 Minuten am Tag bei ihr, meist von Zeitarbeitsfirma.
Rente: 1500 Euro.
Zusatzkosten: Friseur, Fußpflege, Apotheke, Taschengeld nochmal 100 Euro / Monat.
Sie hat noch ein Haus, in dem meine Familie und ich wohnen.
Für dessen Kosten kommen wir jetzt auf.
Wenn das wenige Ersparte leer ist, muß wohl das Hauss verkauft werden, da sonst das Sozialamt nicht zahlt. Dann steht meine Familie auf der Straße.
Für die Straße erwarten unss noch 16000 Euro Sanierungskosten...
Danke Politiker!!!
Selbst zu zahlen
Josef
am 19.09.2020Klaus Haug
am 22.10.2020Leider ging mein erbe dafür voll und ganz drau
Jeany
am 07.11.2020Heinz
am 07.02.2021Da die Bedingungen in den Heimen nicht optimal für Mitarbeiter sind ,werden Sie dort auch meistens Personal finden die froh sind einen Job zu haben. Daher auch nicht versuchen die Bedingungen in den Heimen zu ändern. Zweitens wurde die Pflege privatisiert um Kosten für den Steuerzahler zu senken. Das durch Privatisierung(Gewinnorientierung Wachstumsorientierung)mit nur begrenzten Mitteln, ein Gefälle entsteht, kann jeden mit Grundmathematik Kenntnisse auffallen. Auf jeden freien Markt werden Qualität und Preis von Kunden und Anbietern ausgehandelt. Im jetzigen Pflegesystem ist der Preis Grundlegend vorgeschrieben und auch die Qualität.(Kunden werden immer zahlen egal was ist, somit kein Anpassungszwang oder Veränderungszwang)Zur Qualität mal eine paar Anmerkungen
Es wurde die 50 / 50 Regel eingeführt also 50 % Fachkraft 50% Helfer wenn diese nicht eingehalten wird gibt es Strafe (also was macht Gewinnorientierter Konzern Früher 5 Helfer eine Fachkraft heute 2 Helfer 2 Fachkräfte eine ganze Kraft ist weck gefallen).Oder Qualitätsaussage Privater Konzerne wir brauchen/arbeiten nicht mehr mit Zeitarbeit oder externen freien Mitarbeiter zusammen um Kosten für die Bewohner zu sparen. Das bedeutet wenn ein Mitarbeiter Krank wird oder aus fällt wird dieser nicht ersätzt sondern die restlichen Mitarbeiter übernehmen die Arbeit mit. Was bei einer generell sehr knapp berechneten Personalstruktur hart ist(Arbeitsbedingungen sin nicht optimal).Was möchte Ich nun damit ausdrücken solange wir den sozialen Sektor privatisieren müssen wir mit solchen Auswüchsen rechnen und auch bedenken das es schlimmer wird. Keinen Konzern ist es vorzuwerfen das er Gewinne machen möchte und auch Wachsen möchte. Und bei der Pflege die eine Dienstleistung ist kann man nur an den Personalkosten sparen um Gewinne und Wachstum zu bekommen. Die einzige Möglichkeit wäre es den Pflegesektor wieder zu verstaatlichen und Ihn unter der Selbstverwaltung der Kassen zu organisieren. Somit würden auch die Millionen Gehälter der Manager und die Dividende der Konzerne wieder im Pflegesystem zur Verfügung stehen.
Petra Moldenhauer
vor 2 Wochen