Welche Probleme bestehen für Werkstattbeschäftigte?
Die Corona-Krise hat auch Menschen mit Behinderungen stark getroffen. Unter anderem schlossen die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) ihre Türen. Die dort Beschäftigten konnten nicht mehr zur Arbeit und mussten zu Hause oder in der Wohngruppe bleiben.
Das bedeutete für viele Betroffene auch finanzielle Einbußen. Denn anders als regulär beschäftigte Arbeitnehmer*innen in den Betrieben erhalten Werkstattbeschäftigte kein Kurzarbeitergeld. Das Arbeitsentgelt in der Werkstatt hängt von den Einnahmen ab, die die Werkstatt erwirtschaftet. Ohne Einnahmen für die Werkstatt im Lockdown brach auch die – ohnehin nur geringe – Bezahlung für die Menschen mit Behinderungen weg.
Was wurde beschlossen?
Bund und Länder haben nun Änderungen in der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung beschlossen. Diese sollen die Entgelteinbußen von Werkstattbeschäftigten zumindest teilweise auffangen.
Mit der geänderten Verordnung verbleibt den Integrationsämtern der Länder mehr Geld für ihre Aufgaben. Die neue Verordnung bestimmt, dass sie die Mittel der Ausgleichsabgabe nun auch zielgerichtet für den Ausgleich der coronabedingt weggebrochenen Arbeitsentgelte für Werkstattbeschäftigte verwenden können.
Dafür verzichtet der Bund im Jahr 2020 einmalig auf zehn Prozent aus der Ausgleichsabgabe und überlässt dieses Geld den Integrationsämtern in den Ländern. Ihnen stehen so etwa 70 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung.
Die Ämter sollen in eigenem Ermessen und eigener Verantwortung über die Höhe der Leistung entscheiden, die die einzelne Werkstatt bekommt, und auch über Art und Umfang der erforderlichen Nachweise. Die Werkstätten erhalten die Gelder zweckgebunden. Das soll sicherstellen, dass die Leistungen tatsächlich an die Menschen mit Behinderungen gehen und deren Entgelteinbußen ausgleichen.
Die Neuregelungen treten rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft. So können Einkommensausfälle abgefedert werden, die
es seit Beginn der Pandemie gab. Der Bundesrat hat die geänderte Verordnung im Juni beschlossen.
Was sagt der SoVD?
Menschen mit Behinderungen, die in einer WfbM arbeiten, erhalten ohnehin nur ein sehr geringes Arbeitsentgelt. Es ist sozialpolitisch kaum zu rechtfertigen, dieses Geld pandemiebedingt noch weiter zu reduzieren und keinen Ausgleich zu gewähren. Daher sendet die Neuregelung ein gutes Signal an die Werkstattbeschäftigten: Ihre coronabedingten finanziellen Einbußen können nun etwas aufgefangen werden.
Jedoch ist der Weg über die Ausgleichsabgabe problematisch. Die Gelder stehen somit nicht mehr für die Teilhabe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung. Das erscheint nur vertretbar, wenn die Neuregelung strikt auf 2020 begrenzt bleibt. Überdies muss das Geld wirklich bei den Betroffenen ankommen.
Die 70 Millionen Euro dürfen nicht im „Zuständigkeitsdickicht“ zwischen Bund, Ländern und Werkstätten versickern. Daher
muss der Bund von den Ländern fristgebunden einen Bericht verlangen, an wen sie die Gelder konkret ausbezahlt haben. Der SoVD verweist darauf, dass bei 70 Millionen Euro für die 312.000 Werkstattbeschäftigten im Schnitt 224 Euro zu zahlen wären.
Unabhängig von den coronabedingten Ausgleichszahlungen fordert der SoVD, den gesetzlichen Mindestlohn auf Werkstattbeschäftigte anzuwenden. Bislang beläuft sich ihr Arbeitsentgelt durchschnittlich auf nur 180 Euro im Monat trotz Vollzeittätigkeit. Obwohl die WfbM eine Reha-Einrichtung ist, leisten die Beschäftigten dort oft über viele Jahre gesellschaftlich wertvolle Arbeit, die durch den Mindestlohn Anerkennung erfahren sollte. Nicht zuletzt ist ein Konzept nötig, das die Sonderstruktur der Werkstätten langfristig in Richtung eines inklusiven Arbeitsmarktes weiterentwickelt.
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