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Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) - Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrecht

1 Gesamtbewertung

Mit dem vorliegenden Referentenentwurf soll das Betreuungsrecht eine grundlegende Modernisierung erfahren. Der Gesetzentwurf geht aus Sicht des SoVD in eine grundsätzlich positive Richtung. Viele der in dem umfangreichen Beteiligungsverfahren des BMJV, an dem auch der SoVD beteiligt war, erarbeiteten Handlungsansätze werden aufgegriffen und umgesetzt.

Allerdings enthält der Referentenentwurf auch Regelungen, die hinter den Forderungen bzw. Erwartungen des SoVD zurückbleiben. Die völkerrechtlichen Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention werden aus Sicht des SoVD noch nicht vollständig verwirklicht. Insoweit setzt sich der SoVD für Nachbesserungen im Gesetzgebungsverfahren ein.

2 Zur konkreten Umsetzung ausgewählter Reformziele

Selbstbestimmungsrechte Betroffener stärken, Willen und Wünsche der betreuten Person beachten, Betreuung auf Augenhöhe gewährleisten

Der SoVD setzt sich mit Nachdruck dafür ein, dass die Selbstbestimmungsrechte der Betroffenen im Betreuungsrecht beachtet und rechtlich gestärkt werden. Ihr Willen und ihre Wünsche müssen vor und während des Verfahrens beim Betreuungsgericht selbst, aber auch während der laufenden Betreuung maßgeblich sein. Um dies zu ermöglichen, muss die betreute Person auf Augenhöhe einbezogen sein. Sie sollte darin unterstützt werden, ihr Leben nach den eigenen Wünschen zu gestalten.

Der vorliegende Referentenentwurf betont mehrfach, dass – anstelle der bisherigen „Wohlschranke“ – Wille und Wünsche der betreuten Person maßgeblich prägender Maßstab des Betreuungsrechts sei bzw. werden solle. Es erfolgt eine Ablösung des Betreuungsrechts vom Vormundschaftsrecht, da beim Vormundschaftsrecht das Wohl des Mündels maßstabsprägend bleibt.

§ 1821 BGB-neu normiert die Pflichten des Betreuers1 im Verhältnis zur betreuten Person. Nach Abs. 1 soll der Betreuer die Unterstützung der betreuten Person gewährleisten, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Die Unterstützung hat Vorrang vor der Stellvertretung. Nach Abs. 2 hat der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, dass dieser im Rahmen seiner Möglichkeiten sein Leben nach seinen Wünschen gestalten kann. Hierzu hat der Betreuer die Wünsche des Betreuten festzustellen und diesen grundsätzlich zu entsprechen, solang nicht Ausnahmen nach Abs. 3 gegeben sind. Dieser Grundsatz gilt sowohl in Personensorge-, als auch in Vermögensangelegenheiten, vgl. § 1838 BGB-neu.

Nach § 1816 BGB-neu ist die Eignung des Betreuers daran zu bemessen, ob er die Pflichten aus § 1821 BGB-neu erfüllen kann. Das Betreuungsgericht hat die Erfüllung der o.g. Betreuerpflichten gemäß § 1862 BGB-neu zu überwachen. Abs. 2 fordert, den Betreuten persönlich anzuhören, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass der Betreuer pflichtwidrig den Wünschen des Betreuten nicht entspricht.

§ 1822 BGB-neu verpflichtet den Betreuer, Angehörigen und Vertrauenspersonen des Betreuten Auskünfte zu erteilen, wenn dies dem Willen oder Wunsch des Betreuten entspricht.

Mit Übernahme der Betreuung muss der Betreuer grundsätzlich einen Anfangsbericht erstellen, der nach § 1863 Abs. 1 Nr. 3 BGB-neu auch die Wünsche des Betreuten hinsichtlich der Betreuung enthalten muss. Die nachfolgenden jährlichen Berichte hat der Betreuer mit der betreuten Person grundsätzlich zu besprechen.

Bei der Betreuerbestellung muss das Gericht gemäß § 278 FamFG-neu die Wünsche des Betroffenen erfragen. § 275 Abs. 2 FamFG-neu bestimmt zudem, dass das Gericht den 

Betroffenen bei Einleitung des Verfahrens zu Aufgaben, Verlauf und Kosten der Betreuung unterrichtet.

SoVD-Bewertung: Es ist der Wille des Gesetzgebers erkennbar, das Betreuungsrecht stärker als bisher an Willen und Wünschen des Betreuten auszurichten. Die Betreuung soll zum Ziel haben, der betreuten Person ein Leben nach den eigenen Vorstellungen zu ermöglichen. Dies ist positiv.

Besonders würdigt der SoVD, dass der bisherige § 1901 Abs. 2 BGB mit der darin enthaltenen „Wohlschranke“ nicht fortgeschrieben wird. Denn die Wohlschranke begründete die Gefahr, dass Betreuer ihre Entscheidungen nicht an den Wertmaßstäben der betreuten Person, sondern an einem objektiven Wohlbegriff ausrichten. Das „objektive Wohl“ ist ein menschenrechtlich problematischer Maßstab für erwachsene Menschen mit Unterstützungsbedarf. Vielmehr muss die Unterstützung durch Betreuung ihnen ein Leben nach ihren Wünschen und Vorstellungen ermöglichen. Dem trägt § 1821 BGB-neu, insbesondere mit Abs. 2, deutlich besser Rechnung.

Die Gesetzesbegründung führt aus, dass vom Begriff des „Wunsches“ in § 1821 BGB-neu nicht nur Äußerungen erfasst sind, die auf freiem Willen beruhen. Es sind darüber hinaus auch Äußerungen der betreuten Person rechtlich maßgebend und zu beachten, denen kein freier Wille (mehr) zugrunde liegt (vgl. S. 286 des Entwurfes). Der Begriff des „Wunsches“ soll deutlich machen, dass auch der „natürliche Wille“ der betreuten Person – unter Berücksichtigung des § 1821 Abs. 3 BGB-neu – zu beachten und umzusetzen ist. Aus Sicht des SoVD ist die Berücksichtigung auch des natürlichen Willens einer Person der richtige und notwendige Ansatz, um dem Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen im Betreuungsrecht stärker zur Geltung zu verhelfen. Dieses weite Verständnis sollte jedoch nicht nur in der Gesetzesbegründung, sondern in der Norm selbst deutlich werden. Betreuer, ehrenamtliche wie berufliche, sollten deutlich vor Augen haben, dass sie auch die auf natürlichem Willen beruhenden Willensäußerungen der betreuten Person beachten und umsetzen müssen.

Im Übrigen begrüßt und unterstützt der SoVD die o.g. verfahrensseitigen Regelungen, mit denen die Wünsche des Betroffenen vor und während der Betreuungsbestellung gestärkt und die Einbeziehung der betreuten Person im Verfahren unterstützt wird. Dem dienen die vorgesehenen Informations-, Anhörungs-und Kontrollrechte. Zum Instrument der „unterstützten Entscheidungsfindung“, zur Betreuungsvereinbarung sowie zu weiteren, die Qualität der Betreuung stärkenden Regelungen sowie zur Barrierefreiheit, die für den SoVD ebenfalls essenziell zur Sicherung der Selbstbestimmungsrechte der Betroffenen gehören, wird im Folgenden noch gesondert eingegangen.

Fortsetzung in der kompletten Stellungnahme (PDF)


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