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Wenn die Pflegeversicherung auf Zeit spielt

Pflege Behinderung Armut Gesundheit

„Ich will ja nicht wie Gott in Frankreich leben. Aber es kann doch nicht sein, dass meine Enkelkinder die Rechnungen für den Pflegedienst übernehmen.“ Christa Nielsen ist gerade 80 Jahre alt geworden. Zusammen mit ihrer Familie lebt sie in einem kleinen Häuschen in Garbek, einem Ort in der Nähe von Bad Segeberg. Dass es einmal so weit kommen würde – das hätte sie nie für möglich gehalten.

Doch der Reihe nach. Gesundheitliche Probleme hat Christa Nielsen schon seit vielen Jahren. Doch erst nach dem Tod des Ehemanns gesteht sie sich ein, dass sie selbst Hilfe braucht. „Wir haben dann bei der AOK NORDWEST einen Antrag für einen Pflegegrad gestellt“, erzählt Andrea Lübker, Christa Nielsens Tochter. „Das ging alles blitzschnell, kurz danach wurde meiner Mutter Pflegegrad I bewilligt.

Doch schon nach wenigen Wochen verschlechtert sich der Zustand der damals 78-Jährigen rasant. Ein Höherstufungsantrag führt umgehend zur Anerkennung von Pflegegrad II. „Damals konnte ich noch einige Dinge selbstständig regeln“, so Christa Nielsen. „Von der Kasse haben wir einen E-Scooter bekommen, mit dem ich mich zumindest hier im Ort frei bewegen konnte.“ Leider hielt dieser Zustand nicht lange an.

Denn Christa Nielsen leidet nicht nur an COPD, einer schweren Lungenkrankheit. Außerdem hat sie Osteoporose. Und im Oktober 2018 brechen fast ohne Fremdeinwirkung Schien- und Kreuzbein. Die Folge: Krankenhaus und danach in die Kurzzeitpflege. „Meiner Mutter ging es danach so schlecht, dass wir dachten, sie lebt nicht mehr lange“, erinnert sich Andrea Lübker. „Deswegen haben wir uns noch einmal an die AOK gewandt.“

Zu diesem Zeitpunkt benötigt Christa Nielsen bereits professionelle Unterstützung. Morgens und abends kommt ein Pflegedienst und hilft der mittlerweile 79-Jährigen bei der Körperpflege. „Als dann im November die Gutachterin vom MDK kam, hat das ganze 15 Minuten gedauert“, erinnert sich Tochter Andrea Lübker. „Meine Mutter war zu dieser Zeit bettlägerig – und im Gutachten stand später, sie könne noch allein zum Einkaufen gehen.“ Das Ergebnis: Pflegegrad III.

Das lange Widerspruchsverfahren mit der Pflegekasse

„Natürlich haben wir gleich Widerspruch eingelegt“, so Christa Nielsen. „Als wir nach vier Wochen noch nichts gehört hatten, hat meine Tochter telefonisch nachgefragt.“ Es gebe gerade eine Umstrukturierung, hieß es. Deswegen dauere alles etwas länger. Andrea Lübker verrät: „In dem Moment hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass es hier ein Problem gibt.“

— Bis wann muss Ihre Krankenkasse einen Antrag bearbeiten? Lesen Sie auch unseren Beitrag über die Genehmigungsfiktion —

Fortan ruft sie alle 14 Tage bei der Pflegekasse an, erkundigt sich nach dem Sachstand. Von der AOK? Nichts. „Erst im Februar haben wir eine Eingangsbestätigung bekommen, das muss man sich mal vorstellen. Wir müssen doch hier schon seit Ende 2018 die höheren Kosten für den Pflegedienst zahlen. Und die Kasse sitzt das Problem einfach aus?“

Nachdem Andrea Lübker mit einem Anwalt gedroht hat, begutachtet die Pflegekasse schließlich noch einmal nach Aktenlage – mit demselben Ergebnis wie zuvor. Christa Nielsen sei in Pflegegrad III richtig eingestuft. Das kann Andrea Lübker nicht verstehen: „Es wurde falsch begutachtet. Meine Mutter kommt doch kaum aus dem Bett, wie soll sie da einkaufen gehen. Warum kann die AOK nicht zugeben, dass sie einen Fehler gemacht hat?“

Während die Rechnungen weiterlaufen, tut sich bei der Pflegeversicherung nichts. Nachfragen werden ausweichend oder überheblich beantwortet. Die inzwischen eingeschaltete Anwältin hat mit der Familie einen Neuantrag gestellt, während der Widerspruch nun erst im Oktober im Rahmen des Widerspruchsausschusses behandelt werden soll. „Wir wären ja froh, wenn wir die Hilfe der Pflegeversicherung nicht brauchen würden“, so Christa Nielsen. „So etwas sucht man sich doch nicht aus. Manchmal glaube ich, dass dort einfach abgewartet wird, damit sich das Problem mit der Zeit von selbst erledigt…“

Der Sozialverband Schleswig-Holstein hilft in sozialen Fragen. Wir vertreten unsere Mitglieder bis zum Sozialgericht, zum Beispiel bei Problemen mit der Erwerbsminderungsrente oder dem Behindertenausweis.

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