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Schwerbehinderung mit psychischer Erkrankung?

Aktuelles Behinderung

Immer mehr Menschen leiden in Deutschland an seelischen bzw. psychischen Erkrankungen. Unter diesem Oberbegriff ist alles mögliche zusammengefasst: Zwangsstörungen, Depressionen oder auch Suchterkrankungen. Wie sieht es aber mit der Möglichkeit aus, einen Schwerbehindertenausweis zu erhalten?

Schwerbehinderung mit psychischer Erkrankung

Zunächst einmal müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass es nur für die klassischen "Behinderungsarten" einen Schwerbehindertenausweis geben kann. Also nicht nur für das amputierte Bein oder die komplette Erblindung. Das ist ein Klischee, das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat - und eigentlich noch nie etwas zu tun hatte.

"Ob Ihnen ein Schwerbehindertenausweis zusteht, hängt nur zum Teil an der Art Ihrer Erkrankung. Viel wichtiger ist die Frage: Was macht diese Erkrankung mit Ihrem Leben?"

Christian Schultz, SoVD Schleswig-Holstein

Denn ob Sie einen Schwerbehindertenausweis oder einen Grad der Behinderung (GdB) bekommen können, hängt ganz massiv davon ab, wie die jeweilige Erkrankung Ihr Leben einschränkt. Was können Sie nicht mehr ohne fremde Hilfe machen? Was geht vielleicht gar nicht mehr? Und welche Aktivitäten können Sie nur noch unter Schmerzen ausüben?

Bei diesen Fragen sehen Sie schon: Es kommt nur zum Teil auf die Art Ihrer Erkrankung an. Viel wichtiger sind die sogenannten "Funktionseinschränkungen". Also die negativen Folgen der Behinderung oder Krankheit für Ihr Leben.

Jeder dritte EM-Rente wegen psychischer Erkrankung

Uns liegen keine konkreten Zahlen zur Zahl der Schwerbehindertenausweise mit dem Hintergrund einer psychischen Erkrankung vor. Aber wir können uns diesem Wert zumindest indirekt nähern.

Denn obwohl der "Behinderten-Status" nicht direkt mit einer Rente wegen Erwerbsminderung in Zusammenhang steht, treten beide Aspekte sehr häufig zusammen auf. Beide Entscheidungen basieren schließlich auf den gleichen chronischen Erkrankungen.

Und hier zeigt sich ein klares Bild: Von allen Erwerbsminderungsrenten, die deutschlandweit im Jahr 2022 erstmals bewilligt wurden, gehen mehr als 42 Prozent auf eine psychische Erkrankung zurück. Das ist schonmal eine Ansage.

Wir können also guten Gewissens davon ausgehen, dass auch bei der Schwerbehinderung ein großer Anteil aller Antragsteller einen Hintergrund mit seelischer Erkrankung aufweist.

Wie bekomme ich mit psychischer Erkrankung einen Schwerbehindertenausweis?

Wie bei jeder anderen Erkrankung oder Behinderung können Sie einen Antrag beim Landesamt für soziale Dienste (LAsD) stellen.

Wenn Sie hierbei Unterstützung benötigen, helfen Ihnen gern unsere Kolleginnen und Kollegen aus der SoVD-Sozialrechtsberatung. Den SoVD gibt es in ganz Deutschland.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im LAsD prüfen anschließend mithilfe der "Versorgungsmedizin-Verordnung", ob Ihnen ein Grad der Behinderung (GdB) zusteht. Übrigens: Als schwerbehindert gelten Sie erst ab einem GdB ab 50. Vorher gibt es auch keinen SB-Ausweis. Und Sie können auch nicht vorzeitig in die Rente.

Die Versorgungsmedizin-Verordnung regelt zum Beispiel unter dem Punkt B3.7 die Krankheitsgruppe der Neurosen und Persönlichkeitsstörungen - also ein weites Feld. Und hier heißt es:

Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen: 0 – 20

Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen): 30 – 40

Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten: 50 – 70

mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten: 80 – 100

Jede psychische Erkrankung ist anders. Die Versorgungsmedizin-Verordnung gibt dennoch eine Art Rahmen vor, in dem nun die jeweilige Behinderung des Patienten einsortiert werden muss. Je schwerer die Erkrankung, desto höher soll der Grad der Behinderung ausfallen.

Ohne Befundbericht geht gar nichts

Nach Ihrem Antrag werden Sie nur in den allerwenigsten Fällen zu einem Amtsarzt eingeladen. In aller Regel ermittelt das Landesamt für soziale Dienste Ihren Grad der Behinderung aufgrund der Berichte Ihrer Ärzte. Mit psychischer Erkrankung sollten Sie also schon längere Zeit bei einem Facharzt für eine solche Erkrankung in Behandlung sein. Oder bei einem Psychotherapeuten.

Um aufgrund Ihrer psychischen Behinderung einen Schwerbehindertenausweis zu erhalten, braucht es also ein psychiatrisches Gutachten. Das kann auch im Rahmen eines Klinikaufenthalts oder einer Reha-Maßnahme erstellt werden.

Wichtig ist: Ihre Erkrankung muss mindestens sechs Monate lang bestehen. Sonst haben Sie keine Chance auf die Schwerbehinderung.


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