Aussteuerung: Muss ich jetzt nochmal in die Reha?
Aktuelles Behinderung Gesundheit
Wer "ausgesteuert" wird, hat bereits 72 Wochen Krankengeld hinter sich. Oftmals erfolgt in dieser Zeit eine Reha der Deutschen Rentenversicherung - auf Wunsch der Krankenkasse. Umso erstaunlicher ist, dass nun offenbar erneut eine solche Maßnahme beantragt werden muss.
Bei langer Krankheit erhalten Sie nach der sechswöchigen Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber Krankengeld. Bis zu 72 Wochen lang. Wenn Sie diese Phase bereits hinter sich gelassen haben, wurden Sie möglicherweise bereits zu einer Reha aufgefordert.
Reha nach Aufforderung durch die Krankenkasse
Dann wissen Sie auch: Die Krankenversicherung darf Sie zum Reha-Antrag drängen. Hintergrund ist, dass Krankengeld nur gezahlt werden muss, wenn Sie zwar krank - aber nicht erwerbsgemindert sind. Was das genau bedeutet, können Sie hier nachlesen.

Die Krankenkasse nutzt also die Reha bei der Deutschen Rentenversicherung, um Ihre Erwerbsfähigkeit zu überprüfen. Denn nur wenn Sie dauerhaft mehr als drei Stunden arbeiten können - egal, in welchem Beruf - ist die Kasse zahlungspflichtig. Wenn nicht, müssen Sie aller Voraussicht nach in die Erwerbsminderungsrente.
Krankengeld läuft aus: Arbeitsagentur fordert zur Reha auf
Wenn im Entlassungsbericht der Reha allerdings festgehalten wird, dass Sie nicht erwerbsgemindert sind, zahlt die Krankenkasse erst einmal weiter. In den meisten Fällen bis zur sogenannten "Aussteuerung", also dem Ende des Krankengeldes.
Nun geht es bei der Arbeitsagentur weiter. Da viele Betroffene mit diesem Schritt überfordert sind und/oder falsch beraten werden, haben wir dazu einen eigenen Beitrag erstellt. Oder Sie schauen sich dieses Video an.
Was für viele überraschend ist: Wenn der ärztliche Dienst der Arbeitsagentur zu dem Ergebnis kommt, dass Sie noch längere Zeit krank sein werden - Stichwort "Nahtlosigkeitsregelung" - wird man Sie kurzfristig zu einer Reha auffordern.
Sie haben richtig gelesen. Sie müssen bei der DRV eine Reha beantragen. Unabhängig davon, ob Sie erst vor einigen Monaten eine solche Maßnahme durchlaufen haben. In dieser Situation sind dem Sachbearbeiter der Arbeitsagentur die Hände gebunden. Er MUSS Sie zum Reha-Antrag auffordern. Das Ziel ist das gleiche wie bereits während des Krankengeldes: Im Rahmen der Reha soll überprüft werden, ob Sie bei der Arbeitsagentur richtig aufgehoben sind. Oder ob Sie in die EM-Rente gehören.

"Wenn Nahtlosigkeit besteht, müssen Sie einen Antrag zur Reha stellen. Ansonsten zahlt die Arbeitagentur kein ALG I."
Christian Schultz, SoVD Schleswig-Holstein
Genauso wie der Mitarbeiter der Agentur für Arbeit haben Sie nun lediglich eine Option: Sie müssen den Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung stellen. Auch, wenn Sie erst gerade aus der Maßnahme kommen und deshalb keine Chance besteht, dass erneut eine Reha bewilligt wird.
Tun Sie das nicht, gibt es kein Arbeitslosengeld. Also müssen Sie der Forderung der Arbeitsagentur nachkommen und stellen den Antrag. Übrigens haben Sie dafür nicht lange Zeit. Während die Krankenkasse Ihnen immerhin zehn Wochen gibt, verlangt die Arbeitsagentur die Antragstellung innerhalb eines Monats.
Fazit
Es handelt sich also um eine weitere Kuriosität des Sozialrechts. Wenn nach der Aussteuerung die Nahtlosigkeitsregelung greift, wird das Arbeitsamt Sie zur Reha auffordern. Auch wenn Sie erst vor wenigen Monaten aus einer solchen Kur entlassen worden sind.
Halten Sie sich nicht damit auf, über den Sinn und Zweck dieser Maßnahme nachzudenken. Um an Ihr ALG I zu kommen, müssen Sie den Antrag stellen. Falls Sie erst kürzlich eine Reha absolviert haben, wird die Rentenversicherung den Antrag schnell ablehnen. Aber Sie bekommen weiter Ihr Geld.
Sie wollen regelmäßig über neue Beiträge in unserem Blog informiert werden? Melden Sie sich einfach zu unserem Newsletter per E-Mail an!
Kommentare (8)
Garry
am 05.05.2023Ich war in Reha von 10.08.22 bis 15.09.22 ..ausgesteuert zum 28.02.23 aufgefordert von Arbeitsamt einen Rehaantrag zu stellen dies wurde dann auch bewilligt ...muss Ich tatsächlich eine 2. Reha durchlaufen ? Ich kann es nicht die letzte war sehr schwierig für mich
Christian Schultz
am 08.05.2023Dass die zweite Reha nun bewilligt wurde, ist eher ungewöhnlich. Aber zum Erhalt des Arbeitslosengeldes müssen Sie die Reha grundsätzlich absolvieren. Vielleicht geht es in Ihrem Fall ja ambulant - sprechen Sie dazu die Rentenversicherung direkt an.
Dr. med. Fachärztin
am 12.03.2023Sehr geehrter Herr Schultz,
Ich bin Ärztin, 50 J., und zahle folglich in das zuständige Versorgungswerk ein. Ich bin seit ca. 20 Jahren befreit bei der DRV.
Glücklicherweise habe ich als Krankenschwester/-azubi 70 Monate bei der DRV eingezahlt und die DRV hat deshalb die bereits 2 stattgehabten Reha-Maßnahmen in 2018 und 2022 gezahlt. Ich bin gesetzlich krankenversichert.
Seit 2019 arbeite ich nach eigener Entscheidung aus gesundheitlichen Gründen nur noch 4h tgl und mache keine Nachtdienste mehr.
Ich bin unbefristet angestellt mit 20h/Wo in einem Klinikum der Maximalversorgung.
Im Mai steht die Aussteuerung an, nachdem im Februar die Wiedereingliederung nach Coronainfekt/Pleuraerguss und Crash gescheitert ist.
Gesundheitlich erfülle ich die Kriterien für eine EM-Rente (Prüfung wurde bei der Reha 2022 angeregt), formal aber nicht (hab die letzten 5 Jahre nicht eingezahlt).
Versorgungswerke für Ärzte haben solche Teil-Absicherungsangebote nicht und die Kriterien für eine BU-Rente erfülle ich bisher nicht (offiziell bin ich 4h tgl arbeitsfähig lt. Reha 2022, das sah ich damals auch so - seitdem hat sich aber Einiges geändert).
GdB50 liegt rückwirkend zur Reha 2022 vor.
Ich habe im Januar eine neue somatische (!) Diagnose erhalten (G93.3), die als AU-Grund bisher noch nicht aufgetaucht ist (aber seit 2017 faktisch vorliegt). Bisher lief AU auf F-Diagnose chron rez Depression (was auch nicht "falsch" war, den Kern des Problems aber nicht 100% getroffen hat).
Weil ich mich durchs Netz fallen sehe (ich bin alleinstehend und zahle mit Hilfe von Mieteinnahmen &Gehalt/Krankengeld mein Eigenheim ab, so dass absehbar in ca. 2 Jahren mit Erhalt von Bürgergeld der Verkauf dieser Altersvorsorge ansteht), frage ich mich, ob es strategisch machbar ist, nach einem Arbeitsversuch die neue AU-Diagnose zu "nutzen" für eine "neue" AU (es sei denn, ich schaffe meine täglichen 4 Stunden längerfristig - was aber derzeit hochgradig unwahrscheinlich ist).
Wie lange muss ich die Arbeit "durchhalten", um dann mit neuer somatischer ICD (G93.3) in die AU zu gehen?
Wie bestimmt die KK, ob die neue Ziffer mit der bisherigen "in keinem Zusammenhang" steht?
Vielen Dank für Ihr Angebot, Fragen stellen zu dürfen auf dieser Platform.
Christian Schultz
am 13.03.2023Hallo, grundsätzlich können Sie bei einer neuen Erkrankung sofort Anspruch auf 78 Wochen Krankengeld haben. Die neue Diagnose muss "nur" zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem Sie nicht offiziell arbeitsunfähig waren. Und die Erkrankungen dürfen nicht im Zusammenhang stehen.
Klingt einfach, ist in der Praxis aber häufig sehr umstritten und erfordert dann unterschiedliche Gutachten. Ich kann Ihnen diesen Weg nicht empfehlen, ohne dass Sie sich da individuell beraten lassen. Zum Beispiel bei meinen Kollegen: https://www.sovd.de/sozialverband/organisation/landes-und-kreisverbaende
S. Groß
am 01.02.2023Hallo,
Ich unterstütze einen Bekannten. Er war seit 05 /2021 Langzeit erkrankt. Im September 22 sollte die Wiedereingliederung starten. Da kamen leider 2 OPs (orthopädisch) dazwischen. Er wurde somit im Oktober 2022 ausgesteuert. Im November kam die Androhung des Entzug des Alg, wegen fehlender Mitwirkung. Nun kann er endlich das BEM durch führen (Grund der Aussteuerung ist -hoffentlich wirklich - ausgeheilt). Seit der OP im September ist er wieder krankgeschriebn.
Wann hat er wieder das Recht auf Lohnfortzahlung und Krankengeld? Es ist zu befürchten, dass er auf Grund der neuen Erkrankungen seine alte Tätigkeit nicht mehr ausführen kann. Bisher GdB30, Verschlimmerungsantrag kann erst gestellt werden, wenn Befundung der neuen Krankheit(en - gibt noch einen zu klärenden Nebenbefund) abgeschlossen ist. Wäre eine erneute Reha in seinem Fall hilfreich?
Christian Schultz
am 02.02.2023Einen neuen Anspruch auf Krankengeld gibt es frühestens drei Jahre nach dem ersten Arztbesuch zur Erkrankung. Dann ist die sogenannte Blockfrist abgelaufen. Mehr dazu hier: https://www.sovd-sh.de/aktuelles/meldung/neue-krankheit-neue-blockfrist-wieder-krankengeld
S. Groß
am 02.02.2023Und wann hat der Arbeitnehmer wieder Anspruch auf Lohnfortzahlung? Die Erkrankung ist ja eine andere.
Christian Schultz
am 03.02.2023Bei einer neuen Erkrankung hätten Sie theoretisch sofort Anspruch auf Lohnfortzahlung. Aber Sie sollten sich da persönlich beraten lassen. Fundiert beantworten kann man das nur anhand Ihrer Unterlagen.
Neuen Kommentar schreiben